»Es gab und gibt keinen Stillstand in Dassel« - Feierstunde 50 Jahre nach der Gebietsreform | Gemeinsamer Wille, etwas für die Menschen zu erreichen
Genau 50 Jahre liegt die Gebietsreform zurück – für die Stadt Dassel ein Grund, dieses Datum in einer Feierstunde aufzugreifen. Im Rahmen einer gelungenen Veranstaltung wurde der runde Stadtgeburtstag im Foyer der Rainald-von-Dassel-Schule begangen.
Vergangenheit
In alten Akten, Niederschriften und Amtsblättern auf längst vergilbtem Papier hat Bürgermeister Sven Wolter zur Gemeindereform recherchiert: Die Unterzeichnung des Gebietsänderungsvertrages fand am 16. November 1973 im feierlichen Rahmen in der Festhalle der damaligen Rainald-von-Dassel-Schule statt. Das Programm sollte gut eine Stunde in Anspruch nehmen, selbstverständlich begleitet durch Redebeiträge des Bürgermeisters Rohjahn und des damaligen Landrats. Auch die musikalische Begleitung durfte nicht fehlen. Stadtdirektor Uhlhorn orderte Bier sowie alkoholfreie Getränke.
In den Gebietsänderungsvertrag steht: »Aufgrund des Gesetzes zur Neugliederung der Gemeinden im Raum Northeim/Einbeck/Gandersheim vom 9. April 1973 besteht zwischen der Stadt Dassel, dem Flecken Markoldendorf sowie den Gemeinden Amelsen, Deitersen, Eilensen, Ellensen, Hilwartshausen, Hoppensen, Hunnesrück, Krimmensen, Lauenberg, Lüthorst, Mackensen, Portenhagen, Sievershausen und Wellersen Übereinstimmung, sich gemäß der Niedersächsischen Gemeindeordnung zu einer neuen Gemeinde zusammenzuschließen.« Ziel war »eine Verbesserung der Verwaltungsstrukturen«. Festgelegt wurde: Die Gemeinden sollten mindestens 7.000 Einwohner haben, die Entfernung zu allen Einrichtungen und der Verwaltung sollten sieben bis acht Kilometer möglichst nicht überschreiten. Ortsteile sollten mindestens 400 Einwohner ausweisen. Im Übrigen sollten auch die gemeindefreien Gebiete nach Möglichkeit aufgelöst werden, das sei für Dassel so leider nicht umgesetzt worden, bedauerte Wolter. Er war aber froh, dass sich die Ratsmitglieder damals für eine Einheitsgemeinde mit einer Hauptsatzung und einem gemeinsamen Haushalt entschieden haben.
Eine »Liebesheirat« sei es nicht gewesen:. Die 14 kleinen Ortsgemeinden wie auch die Fleckengemeinde Markoldendorf gaben nämlich ihre Unabhängigkeit mit eigener Verwaltungsstelle und zum großen Teil ehrenamtlichen Gemeindedirektoren auf, um den Zusammenschluss einzugehen. Die neue Einheitsgemeinde mit ihrer heutigen Fläche von rund 113 Quadratkilometern hatte 1974 eine Gesamtbevölkerung von etwa 13.500 Einwohnern. Eine besonders wichtige Vereinbarung war, dass der Sitz der Verwaltung in Dassel liegt. Der Flecken Markoldendorf hatte sich durchaus Hoffnungen gemacht, das Verwaltungszentrum zu werden.
Übergangsweise bis zur Neuwahl eines ersten gewählten Rates der Stadt Dassel wurden ein Interimsrat und -verwaltungsausschuss gebildet, der damalige Stadtdirektor blieb im Amt. Dieser Interimsgemeinderat hatte 39 Sitze, um auch alle Parteien und Wählergruppen ausreichend zu berücksichtigen. Alle Bediensteten – sechs Beamte, 39 Angestellte und 14 Arbeiter – wurden von der neuen Stadt Dassel übernommen und konnten dann 1975 in das Waschbeton-Rathaus einziehen, das dieses Jubiläum schon nicht mehr überlebt hat.
In der konstituierenden Ratssitzung 1974 gab es keine Frauen, nur Männer. Was die Ratsmitglieder der »ersten Stunde« ganz erheblich beschäftigte, war die Kanalisation. Denn vor 50 Jahren war es längst keine Selbstverständlichkeit, an ein modernes Kanalisationsnetz angeschlossen zu sein. Lediglich Dassel, Markoldendorf und Lüthorst verfügten damals über zeitgemäße Wasser- und Abwassereinrichtungen, was die Frage aufwarf, ob man denn mit denen, die es nicht so modern hatten, zusammengehen sollte.
An diese Themen wurde bereits zu 40 Jahren Gebietsreform im Jahre 2014 in einer Feierstunde mit den verbliebenen Ratsherren der »ersten Stunde« erinnert. Man stellte auch fest, dass in der Folge Millioneninvestitionen angeschoben wurden: in das Kanalnetz mit Anschluss an die Kläranlagen genauso wie in den Straßenbau. Seit 1975 ist Dassel noch mehr als zuvor soziale Stadt mit der Harz-Weser-Werkstatt mit Arbeitsplätzen für Menschen mit Beeinträchtigungen. 1978 folgten Neubauten von Grundschule, Sporthalle und Sportplatz in Dassel, die Kernstadt wurde anerkannter Erholungsort. Die Verwaltungsgebietsreform habe in Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs für Dassel den Grundstein für die heutige Infrastruktur und eine leistungsfähige Verwaltung gelegt, sagte der Bürgermeister.
Gegenwart
Nach einer schwierigen finanziellen Phase Mitte der 90er-Jahre bis 2012/2013 konnten mit der Entschuldungshilfe des Landes Niedersachsen in Höhe von 3,9 Millionen Euro ab dem Jahr 2012 endlich Überschüsse im Ergebnishaushalt erwirtschaftet werden. Die einschneidende Zeit des Zukunftsvertrages, aus dem Dassel 2014 vorzeitig als erste niedersächsische Kommune entlassen werden konnte, war eine gemeinsame Kraftanstrengung, die sich nachhaltig gelohnt habe und auf die man stolz sein könne. Die Rücklage aus Überschüssen des ordentlichen Ergebnisses wird sich mit dem letzten Jahresabschluss 2020 auf etwas über fünf Millionen Euro belaufen und attestiert der Stadt Dassel dauernde Leistungsfähigkeit. Auch die Gründung des WAZ Solling zum Januar 1999 stufte Wolter als Erfolgsgeschichte ein.
In den vergangenen gut 20 Jahren wurden wichtige Infrastrukturprojekte im Bereich der Straßen angestoßen und umgesetzt, beispielsweise die Teilortsumgehung Markoldendorf (2006 bis 2013), die KES Dassel Süd (2010), ebenso 2010/2011 der Ausbau der Relliehäuser Straße, 2014/15 der Ausbau der Mackenser Straße mit Nebenanlagen und 2017 schließlich die Ortsdurchfahrt Lüthorst. Einen großen Rückschlag in der wirtschaftlichen Entwicklung Dassels stellte der Weggang des Industriebetriebes Kongsberg mit dem Verlust der Arbeitsplätze dar. »Unsere Unternehmerinnen und Unternehmer, Handels-, Handwerks- und Industriebetriebe, Dienstleister, Planungs- und Ingenieurbüros haben in vielfältiger Hinsicht auch Dassel und die Ortschaften mitgestaltet, weshalb ich auch Ihnen einen besonderen Dank ausspreche«, so Wolter. In der Stadt Dassel lasse es sich nach wie vor gut leben und wohnen.
Entgegen aller Negativprognosen habe sich die Stadt Dassel mit 9.500 Einwohnern stabilisiert. Mit der Demografie gehe aber eine immer älter werdende Bevölkerung mit ihren eigenen Herausforderungen einher. Das Durchschnittsalter lag 2020 bereits bei 48,4 Jahren. Dennoch freute sich Wolter, dass Dassel die älteren Menschen bei gesundheitlichen Einschränkungen hier in ihrer Heimatstadt bleiben könnten.
Das Baugebiet »Am Rennebergsweg« setze die Entwicklung von Neubaugebieten in unterschiedlichen Ortschaften fort. Die Stadtsanierung im Kern von Dassel genauso wie die Stadtsanierung Markoldendorf hätten mit Unterstützung aus Bundes- und Landesmitteln nicht nur öffentliche Investitionen und Aufwertungen der Ortsbilder erreicht, sondern auch eine Vielzahl privater Sanierungsmaßnahmen angestoßen. Nicht zuletzt wurde mit dem ausnahmsweisen Abriss denkmalgeschützter Gebäude am Kirchplatz in Dassel der Weg frei für den Neubau eines modernen Verwaltungsgebäudes am Kirchplatz.
Die Kindertagesstätten im Stadtgebiet Dassel hätten sich zu einer der wesentlichen Herausforderungen entwickelt. Kinder würden immer früher zur Betreuung in einer Einrichtung angemeldet. Heute gibt es etwas mehr als 350 Betreuungsplätze im Stadtgebiet Dassel. Die wichtigen allgemeinbildenden Schulformen sind in Dassel vertreten. Die ehrenamtliche Leistung der Feuerwehren konnte trotz finanziell harter Jahre durch Investitionen unterstützt werden.
Einschneidende Ereignisse waren die Hochwasser 1998 und 2017, als das Freibad in Dassel stark gefährdet war, die Großbrände in der Harz-Weser-Werkstatt 2013 und auf dem Versuchsgut Relliehausen 2020 und der Tornado in Mackensen 2022. Die wirtschaftliche Beteiligung der Stadt Dassel an der EAM und KEAM sichern die stetige Unterhaltung und Investition in die Netze und eine verhältnismäßig preiswerte Energiebeschaffung.
Den Ortsräten wurde seit der Budgetierung ihrer Mittel mehr Eigenverantwortung übertragen. Mit dem Abschluss von Verträgen mit Sport- und Fördervereinen wurden beim Betrieb der öffentlichen Einrichtungen wurden Dorfgemeinschaften und Vereine in die Pflicht genommen. Ohne den Einsatz der Menschen, den Einsatz in Vereinen und dieses tragende Engagement wären Freizeiteinrichtungen kaum erhalten geblieben. Den Vereinen und Verbänden, dem Ehrenamt und den Ortsräten dankte Wolter für ihre Arbeit. »In Dassel gab und gibt es keinen Stillstand«, unterstrich er.
Zukunft
Weil die Ratsherren der ersten Stunde als mutige Menschen »ja« gesagt hätten zu einer Zweckgemeinschaft, könne die Stadt »dieses erfolgreiche Erbe« heute weiterführen: Perspektivisch notwendig sei die Verbesserung der Mobilität im ländlichen Raum, das neue Sanierungsgebiet in Dassel rund um die ehemalige RvD könne eine Aufwertung des öffentlichen Raums anstoßen. Unternehmen sollen bei ihrer Entwicklung unterstützt werden, gemeinsam mit den Ortsräten wolle man Projekte umsetzen und die Barrierefreiheit öffentlicher Einrichtungen vorantreiben. »Uns vereint der Wille und die Bereitschaft, etwas für die Menschen zu erreichen und positiv zu entwickeln, uns vereint, dass unsere Ratsentscheidungen real gelebte Demokratie sind und dass die Verwaltung bürgerorientierter Dienstleistung bedeutet. Lassen Sie uns den tieferen Gemeinsinn nicht verlieren, dann gelingt es uns gemeinsam, dass Dassel 2030 und darüber hinaus lebenswerte Stadt bleibt.«
Der SPD-Landtagsabgeordnete René Kopka wünschte der Stadt Dassel per gesendetem Grußwort alles Gute zum 50-jährigen Bestehen und dankte allen, die an der Reform mitgewirkt haben. Er rief dazu auf, die Chancen der Zukunft zu nutzen. Der stellvertretende Landrat Dr. Christian Eberl stufte Dassel als einen »der schönsten Bereiche« im Landkreis Northeim ein. Und scherzte, dass der junge Bürgermeister ja nun die nächsten 50 Jahre übernehmen könne. Zum Stadtgeburtstag überreichte er ein Apfelbäumchen. Die Bundestagsabgeordnete Frauke Heiligenstadt, SPD, übermittelte schriftliche Glückwünsche. Im Dialog blickten Matthias Kleiner, Leiter der Paul-Gerhardt-Schule, und Kerstin Voß, Leiterin der Rainald-von-Dassel-Schule, auf die Dasseler Schullandschaft mit mehr als 1.300 Schülern und mehr als 200 Bediensteten. Sie waren sicher, dass man Dassel als Bildungstandort bezeichnen könne, von dem alle profitierten.
In der Feierstunde wurden auch Spenden gesammelt, die den Fördervereinen der Kitas zugute kommen. Die »Star Singers« der Paul-Gerhardt Schule bereicherten die Feier mit ihrem Gesang ebenso wie der MGV Mackensen. Mit einer Ausstellung von Fotos aus Dassel und seinen Ortsteilen wurde ein Fenster in die Vergangenheit aufgestoßen. Einen ansprechenden Film zeigten die Schüler der Rainald-von-Dassel-Schule. Mit den Lehrern Ralf Pahl und Sebastian Schrader haben sie digital festgehalten, was ihnen an Dassel gefällt – neben den Freizeiteinrichtungen auch die Natur, das Gebäck vom Bäcker und die Sportangebote. Dafür gab es viel Applaus.
Bericht: Einbecker Morgenpost
Fotos: Stadt Dassel